ANSPRUCH AUF VORABPRÜFUNG DURCH DIE KRANKENKASSE BEI LIPOSUKTION BEI LIPÖDEM
(NUB = Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden; §§ 39, 137 c Abs. 3 SGB V; Qualitätssicherungs-Richtlinie zur Liposuktion bei Lipödem im Stadium III/QS-RL Liposuktion).
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in seiner Entscheidung vom 27.04.2021, Az. L 11 KR 3323/19, klargestellt dass ein Anspruch auf Durchführung einer Vorabprüfung durch die Krankenkasse vor Durchführung einer stationären Behandlung gegeben sein kann, wenn zweifelhaft ist, ob die von der Versicherten beanspruchte Behandlungsmethode (hier: stationäre Liposuktion bei Lipödem) dem Qualitätsgebot entspricht. Die chirurgische Fettabsaugung bei einem Lipödem im Stadium III ist nach § 4 Abs. 4 QS-RL Liposuktion auch bei Vorliegen eines BMI von mehr als 40 kg/ m² nicht in jedem Fall ausgeschlossen.
Versicherte haben nach §§ 27 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 5 SGB V einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung in einem Krankenhaus, wenn dies notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Therapiemethoden, über die der Gemeinsame Bundesausschuss nicht abschließend gemäß § 137 c Abs. 1 SGB V entschieden hat, können im Rahmen einer Krankenhausbehandlung erbracht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und die stationäre Behandlung medizinisch indiziert ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am 19.09.2019 die „Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III“ (QS-RL Liposuktion) erlassen. Nach § 4 Abs. 1 der Richtlinie darf die Methode zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse eingesetzt werden, wenn das Vorliegen eines Lipödems im Stadium III diagnostiziert (disproportionale Fettgewerbsvermehrung mit großlappig überhängenden Gewebeanteilen von Haut und Subkutis, fehlende Betroffenheit von Händen und Füßen, Druck- oder Berührungsschmerz im Weichteilgewebe der betroffenen Extremitäten) und die Indikation für eine Liposuktion gestellt wurde (die innerhalb der letzten sechs Monate konsequent durchgeführte, ärztlich verordnete konservative Therapie konnte die Krankheitsbeschwerden nicht ausreichend lindern; Patientinnen mit einem BMI ab 35 kg/m² unterziehen sich einer Adipositas-Behandlung).
Zwar soll ab einem BMI von mehr als 40 kg/m² keine Liposuktion mehr durchgeführt werden (§ 4 Abs. 4 QS-RL Liposuktion). Allerdings soll nach der Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses auch in diesen Fällen die Zweckmäßigkeit einer solchen Behandlung im konkreten Einzelfall sein. Es muss eine Risikoabwägung zwischen den Vorteilen der avisierten Behandlung und den damit verbundenen Risiken stattfinden.
Bedeutung für die Praxis: Im Arztbericht sollte für die betroffenen Patientinnen stets eine Risikoabwägung in der geschilderten Form vorgenommen werden. Außerdem besteht ein Anspruch auf die Vorabprüfung, sodass auch unter Gesichtspunkten des Medizincontrollings zumindest von einer grundsätzlichen Kostenübernahme der Krankenkasse ausgegangen werden darf.